Die Magie der kleinen Momente

80% der Unternehmen beschreiben sich als kundenorientiert. 8% der Kunden stimmen dem zu (Quelle: Bain & Company). Woher stammt der Gap? Eine Spurensuche.

Ich hatte kürzlich einen wahren Glücksmoment. Mein Partner hat mir einen Heiratsantrag gemacht. Er hat mich nicht etwa auf unserer Reise nach Paris gefragt, ob wir heiraten wollen, oder bei einem romantischen Sonnenuntergang in Südfrankreich. Nein! Er hat mir diese bedeutsame Frage gestellt, als ich gerade zuhause auf der Toilette sass. Er meint, er hätte diesen Moment bewusst gewählt, damit ich nicht davonlaufen kann. Ich hingegen dachte: Wenn jemand imstande ist, einen in der alltäglichsten aller Alltagssituationen dermassen positiv zu überraschen, ist das ganz bestimmt der Mensch fürs Leben.

Ich liebe diese Geschichte deshalb so sehr, weil es von diesen kleinen Alltags-Momenten viel mehr gibt als von der grossen Eiffelturm-Erlebnissen und romantischen Sonnenuntergängen am Strand.

Genau das trifft auch auf unsere Kunden zu. Der grösste Teil unseres Lebens besteht aus Alltag und Routine. 95% unserer täglichen Entscheidungen laufen völlig automatisiert ab. (Quelle: Allianz) Und das ist gut so. Das gibt uns Halt. Besonders in Zeiten, die von viel Unsicherheit geprägt sind, ist eine gewisse Routine Balsam für unsere Seele und mentale Gesundheit.

Wie können wir unsere Kunden dabei unterstützen, ihren Alltag zu meistern, ihnen einen kleinen Glücksmoment zu bescheren, ihnen ihr stressiges Leben zwischen Kindern, Arbeit, Präsentation, Geldsorgen, Stau, Einkauf, Kochen, Garten, Eltern, Sport, – und ja! natürlich! der Partnerin/dem Partner – zu vereinfachen?

CX: Wo sich transaktionaler Content und Prozesse kreuzen

Die kurze Antwort: Indem wir uns in sie hineinversetzen, sprich unsere menschliche Superkraft Empathie beweisen. Customer Experience (CX) ist das Resultat vieler kleiner und einiger grosser Begegnungen von Kundinnen mit Unternehmen. Einige dieser Begegnungen sind planbar, wir können sie antizipieren und uns darauf vorbereiten. Andere nicht. Bei den planbaren Begegnungen lohnt es sich, Expert:innen bei der Gestaltung des transaktionalen Contents mitwirken lassen. So können auch automatisierte, kleine Zwischenmeldungen zu einem Tages-Highlight werden. Eine fröhliche E-Mail, eine empathische Fehlermeldung, eine erquickende Bestätigung beweisen unseren Kund:innen im Alltag, warum sie sich für ein bestimmtes Unternehmen entschieden haben.

Im Tagesgeschäft geraten solche Mikro-Touchpoints oftmals in Vergessenheit. Es kümmert sich «mal schnell» der Prozessverantwortliche oder die IT-Spezialistin um die Microcopy. Heraus kommt dann sowas wie «Do Not Reply» oder «404 Not Found», die sich interessanterweise quer durch alle Branchen multiplizieren, obwohl sie ganz und gar niemandem Freude bereiten. Dabei können gerade diese kleinen Mikrobotschaften so viel bewirken! Mit kleinen Mitteilungen, welche mit Liebe und Empathie verfasst werden, können wir bei unseren Kunden alltäglich Punkte sammeln. Hier können wir regelmässig zeigen, wofür sie uns noch mehr lieben sollten. Es muss nicht immer das grosse Überraschungspaket sein! Paris und Südfrankreich stehen nicht an der Tagesordnung! Kleine, vergessene Orte wie Cookies, Formulare, ein freundliches Wort zum Log-in oder Check-out, die IVR, E-Mail-Textbausteine, Bestätigungen… Diese Mini-Messages auf ihren Glücksmoment- und Klarheits-Gehalt zu überprüfen, beispielsweise in Form eines Content Audits, lohnt sich. Interessenten sagen JA und werden unsere Kunden. Kunden sagen JA und halten uns die Treue.

Auch eine 404 Fehlermeldung kann, darf, soll kundenfreundlich formuliert sein.

Auch eine 404 Fehlermeldung kann, darf, soll kundenfreundlich gestaltet sein und Glücksmomente zaubern.

Ein bisschen Liebe

Die vielen kleinen kommunikativen Berührungspunkte mit Unternehmen können darüber entscheiden, ob uns Kund:innen als kundenorientiert erleben – oder nur wir uns selbst. Aussen- versus Innensicht. Brillanz in den Kernprozessen wird von Kund:innen als selbstverständlich erachtet. Worin können sich Unternehmen unterscheiden? In der Art und Weise, WIE sie ihre Kernprozesse kommunikativ ummanteln. Liebevoller, empathischer Content anstelle von 0815-Textbausteinen zahlt auf Empfehlung und Loyalität ein. Besonderer Content wird geliebt, geteilt, geliked.

Glücksformel für transaktionale Glücksmomente: Empathische Botschaft + nützlicher Inhalt + richtiges Timing

Die gute Nachricht: die kleinen Liebesbotschaften lassen sich automatisieren. Die richtigen Technologien (CRM, Predictive Analytics, Marketing Analytics, Wettervorhersagen…) helfen uns dabei, den richtigen Zeitpunkt und Kanal zu finden. Die kleinen Liebes-Messages für unsere Kunden sollen nach von Menschen verfassten, klaren und verständlichen Botschaften klingen. Gerne ein bisschen eigenwillig, anders, unerwartet. Je fester es menschelt, desto besser. Denn Texte von Robotern gibt es bereits mehr als genug. Und wer will schon wie ChatGPT klingen? (Was nicht heissen muss, dass KI-generierte Texte schlecht sind. Das hängt schliesslich nicht zuletzt vom Input, sprich vom Prompt ab. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.)

Kurz: Positive, menschliche Kommunikation, die klar und wertschätzend ist und die Kund:innen in ihrem Alltag abholt, trägt Mitschuld daran, dass sich Kunden für uns entscheiden – und uns Kundenorientierung attestieren. Wie sie uns das zeigen? Sie halten uns die Treue, kommen wieder, kaufen mehr. Denn in Verbindung mit Exzellenz in den Kernprozessen führt liebevoller, empathischer und klar formulierter transaktionaler Content zu weniger Serviceanfragen, weniger Churn (Kündigungen) und höherem Ertrag. Und das ist messbar.

Der Artikel ist erstmals im Oktober 2023 in der Printausgabe der Magazins für Customer Relations Stars & Service Champions cmm360.ch erschienen. Hier gehts zum PDF Die Magie der kleinen Momente.

Die Autorin: Claudia Gabler liebt es, kommunikative Glücksmomente an allen Touchpoints zu zaubern. Ihr Fokus liegt auf der Schnittstelle von Kundenerlebnis und Kommunikation. Als PR- und Kommunikations-Lead in internationalen Unternehmen wie auch selbständig erfindet sie das kommunikative Kundenerlebnis regelmässig neu. An der ZHAW doziert sie zu Content Marketing, Krisenkommunikation und Corporate Communications. Als Kundin schätzt sie es, wiedererkannt und ehrlich beraten zu werden. In ihren Vorträgen zur „Magie der kleinen Momente“ weckt – gerne als Duo im inspirierten Zusammenspiel mit CX-Lead Cyrill Luchsinger – mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis Glücksmomente beim Publikum. claudiagabler.com